Veränderungen in der Arbeitswelt

Wie entwickelt man digitale Kompetenzen?

Wie entwickelt man digitale Kompetenzen?

Von Industrie 4.0 zu Lernen 4.0

Die Diskussion hat begonnen: Die vierte industrielle Revolution treibt die digitale Transformation von Unternehmen und Organisationen weiter voran. Vernetzte Technologien, Automatisierung, Künstliche Intelligenz und cyber-physische Systeme sind einige ihrer Merkmale. Das verlangt neue digitale Kompetenzen der Mitarbeiter und eine Weiterbildung, die sich in Form und Inhalt selbst neu erfindet.

Als Carl Benedikt Frey und Michael Osborne 2013 in einer Studie zu der Einschätzung kamen, dass 47 % der Beschäftigten der USA in Berufen arbeiten, die in den nächsten 10 bis 20 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert werden können, rückte das Schlagwort „Arbeiten 4.0“ in den Vordergrund: Welche Berufe und Tätigkeiten fallen in Zukunft weg? Welche kommen neu hinzu? Wie wird sich die Schnittstelle von Mensch und Maschine weiter entwickeln? Überhaupt: Wie werden, wie wollen wir arbeiten? Während der Dialog über die Zukunft unserer Arbeitswelt bereits an vielen Stellen aufgenommen wurde, zeichnet sich gerade in ersten Konturen ab, wie Lernen 4.0 aussehen könnte.

Dr. Jochen Robes, Weiterbildungsberater und Blogger

Denn mit den Veränderungen der Arbeitswelt gehen auch andere, neue Kompetenzen einher. Vor allem digitale Kompetenzen sind gefragt. Doch was genau sind digitale Kompetenzen, die ja gerne als die neuen „Kulturtechniken“ und als unabdingbar für „ein selbstbestimmtes Leben, das berufliche Wirken und die gesellschaftliche Teilhabe“ (Johanna Wanka, BMBF) eingestuft werden? Zum einen werden hier Kompetenzen beschrieben, die für einen souveränen Umgang mit dem Netz und seinen Plattformen, Systemen und Tools notwendig sind. Eine weiter gefasste Perspektive versucht, die Schlüsselkompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften zu erfassen, die zum Bestehen in einer zunehmend digitalisierten und automatisierten Welt notwendig sind. Hier werden zum Beispiel das Lösen komplexer Probleme, Kritisches Denken und Kreativität genannt (siehe Abbildung, World Economic Forum). Diese Kompetenzen werden immer wichtiger, wenn Mitarbeiter die neuen Technologien und Arbeitsprozesse nach ihren Bedürfnissen und Interessen (mit)gestalten wollen.

Auch wenn jedes Unternehmen die Ausgestaltung digitaler Kompetenzen mit Blick auf ihre Geschäftsziele und Arbeitsprozesse selbst vornehmen muss: die Auseinandersetzung mit ihnen und die Entwicklung entsprechender Lehr- und Lernprozesse beeinflusst jede Weiterbildung unmittelbar:

1. Die Weiterbildung wird digitaler.

Es ist offensichtlich, dass die Weiterbildung selbst die Systeme und Instrumente einsetzen muss, auf deren Umgang sie die Mitarbeiter vorbereiten will. Das bedeutet nicht die Abkehr oder Aufgabe von Kursen, Seminaren und Workshops, in denen sich Menschen gegenübersitzen und austauschen. Aber es bedeutet mehr als das klassische E-Learning. Denn längst können wir mit Hilfe des Netzes interagieren, synchron wie asynchron, Erfahrungen austauschen und gemeinsam an Projekten und Aufgaben arbeiten. Sogar „kreative“ Prozesse sind im virtuellen Raum möglich. Es verlangt allerdings Personalentwickler, Bildungsexperten und Trainer, die mit den analogen wie digitalen Möglichkeiten vertraut sind und auf dieser Grundlage bestmögliche und zeitgemäße Lernangebote entwickeln.

2. Die Weiterbildung wird arbeitsplatznäher.

Der langfristigen Entwicklung von Kompetenzen steht das Bedürfnis nach unmittelbaren Antworten am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess gegenüber. „On demand“ ist ein Schlüsselwort, mit dem sich auch die Weiterbildung auseinandersetzen muss. Das führt zur Entwicklung von kurzen, digitalen Angeboten, sogenannten Learning Nuggets, die schnell und situativ genutzt werden können. Das schließt aber auch die Vernetzung der Mitarbeiter am Arbeitsplatz und den informellen Erfahrungsaustausch mit Kollegen und Experten ein, die nicht mehr im gleichen Haus sitzen müssen. Mobile Endgeräte und Augmented Reality erlauben es, Informationen auch in der Produktion und in der Fertigung zur Verfügung zu stellen.

3. Das Lernen wird selbstorganisierter.

Der Zugang zu didaktisch aufbereiteten Informationen ist die eine Seite der Weiterbildung. Daneben tritt aber immer deutlicher die Anforderung, Rahmenbedingungen für den informellen Austausch und das selbstorganisierte Lernen zu schaffen. Mitarbeiter benötigen Räume und Gelegenheiten, um selbst zu lernen und sich auszutauschen. Deshalb gibt es in vielen Unternehmen regelmäßig kurze Impulse, zum Beispiel nach der Mittagspause, vor Ort oder online, um neue Themen anzustoßen. Sie veranstalten BarCamps, in denen die Teilnehmer ihre eigenen Themen definieren und diskutieren. Oder sie verbinden ihre Bildungsthemen mit offenen Lernressourcen im Netz, die von den Mitarbeitern eigeninitiativ genutzt werden können.
Hier tritt die formale, organisierte Weiterbildung dann schrittweise an die Seite und überlässt den Mitarbeitern die Organisation ihrer Lernprozesse.

Quelle Bild: World Economic Forum, „The 10 skills you need to thrive in the Fourth Industrial Revolution“, 19.01.2016