E-Commerce

E-Commerce: Cybersicherheit und Kundenzentrierung stehen nicht in Konkurrenz zueinander

E-Commerce: Cybersicherheit und Kundenzentrierung stehen nicht in Konkurrenz zueinander

Von Yalcin Dincer, Sr. Account Executive bei Ping Identity

Der Online-Handel boomt. Und auch der stationäre Handel hat den E-Commerce für sich entdeckt und buhlt heute mit Big Playern wie Amazon über soliden Service, transparente Preisgestaltung und Kundennähe um Geschäftsanteile in einem dynamischen Markt, der von steigendem Wettbewerbsdruck geprägt ist. Im Zuge dessen haben viele Händler ihr Geschäftsmodell einem digitalen Make-over unterzogen – zum einen um ihren Kunden eine qualitativ hohe Benutzererfahrung bieten zu können, und zum anderen um in der Lage zu sein, mit der aktuellen Bedrohungslage Schritt zu halten. Doch die Herausforderungen für den Einzelhandel bleiben groß und zwingen die Anbieter weiterhin dazu, ihr Geschäftsmodell regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen.

Yalcin Dincer, Sr. Account Executive bei Ping Identity

Dem EHI Retail Institute zufolge setzte der Einzelhandel in Deutschland im vergangenen Jahr über 587 Milliarden Euro um. Obschon der Umsatz im stationären Handel dabei um 0,7 Prozent zurückging, nicht zuletzt aufgrund der Pandemie, kommt die Studie dennoch zu dem Ergebnis, dass der stationäre Handel durchaus seine Daseinsberechtigung hat, jedoch seine digitalen Services ausbauen möchte, will er konkurrenzfähig bleiben. Eine Option ist definitiv „Buy Online, Pick In Store” (BOPIS).

Die Option, Waren online zu kaufen und im Ladengeschäft abzuholen, hat sich zum New Normal entwickelt. Somit ist BOPIS Teil einer modernen Omnichannel-Strategie und ein Must-have für alle Anbieter, die im E-Commerce-Bereich unterwegs sind. Allerdings hat diese zusätzliche Option für Kunden aufgrund aktuell steigender Bedrohungen durch Online-Betrug und eine Steigerung der Betriebskosten für die Anbieter einen hohen Preis. Den Experten von Arvato Financial Solutions zufolge kaufen etwa zwei Drittel der Kunden online und holen ihre Waren mehrmals pro Jahr im Geschäft ab. Und warum? Der Verbraucher profitiert von einer größeren Flexibilität und Kontrolle, da er seine Online-Einkäufe nach Belieben im Shop abholen kann. Die zeitaufwändige Suche nach den Waren vor Ort entfällt, während das von vielen gewünschte und praktische Hands-on weiterhin gewährleistet werden kann, kombiniert mit der Möglichkeit der umgehenden Rückgabe der Ware. Darüber hinaus können mögliche Versandkosten vermieden werden. Die Pandemie hat die Relevanz von BOPIS weiter erhöht, da die Kunden entweder nicht mehr persönlich einkaufen wollte oder sich darauf konzentrierten, unnötige Kontakte zu vermeiden.

Auch für den Anbieter selbst ergeben sich auf den ersten Blick viele Vorteile, da die Liefer- und Verpackungskosten gesenkt werden können, jedoch dennoch die Möglichkeit besteht, mit den Kunden in engem Kontakt zu bleiben. Allerdings gehen einige dieser Vorteile klar auf Kosten des Einzelhändlers. Denn die BOPIS-Option erfordert zusätzliche Lagerkapazitäten in unmittelbarer Nähe des stationären Ladengeschäfts, sodass einige Händler zusätzliche Gelder für die Reorganisation ihrer Geschäftsräume oder die Anmietung zusätzlicher Flächen in die Hand nehmen müssen. Hinzu kommt, dass die Abwicklung der Instant-BOPIS-Bestellungen bisweilen auch eine Herausforderung darstellen könnte – insbesondere dann, wenn Kunden ihre Ware umgehend abholen möchten, ohne dass der Anbieter zuvor dazu gekommen wäre, die Bestellung ordnungsgemäß zu be- bzw. zu verarbeiten. Das größte Problemfeld dürfte jedoch das Risikomanagement sein. Denn auch Betrüger haben längst die Schwächen der BOPIS-Prozesse erkannt und nutzen die kurze Zeitspanne zwischen Auftragserstellung und Abholung im Geschäft, in der kaum Zeit bleibt, Bestellungen bei Auffälligkeiten manuell zu prüfen, schamlos aus. Auch das Betrugsmanagement wird erschwert, denn der Kunde muss naturgemäß bei Abholung im Ladengeschäft wesentlich weniger persönliche Informationen hinterlassen als bei einer Lieferung der bestellten Ware. So können Betrugsversuche in vielen Fällen schon über die Lieferadresse im Keim erstickt werden. Die Einführung strengerer Regeln bei BOPIS-Käufen könnte für Händler jedoch auch nach hinten losgehen. Denn hier könnte eine Risikobewertung dazu führen, dass Kaufvorgänge fälschlicherweise als Betrugsversuch eingestuft werden, sodass Kunden im schlimmsten Fall zum Wettbewerber abwandern. Für Anbieter sollte dies jedoch keinesfalls ein Grund sein, BOPIS abzulehnen. Denn richtig umgesetzt, schließt es die Lücke zwischen dem stationären und dem Online-Geschäft und schafft so Win-Win-Szenarien, auf die die Branche seit Jahren wartet. Die Experten von Arvato Financial Solutions glauben außerdem nicht, dass die Läden zu Lagerhallen degradiert werden: So kauft fast jeder zweite Kunde zusätzlich im Shop ein, während er die BOPIS-Bestellung abholt. Dies jedoch verlangt nach attraktiven Grundrissen – zusätzlich zu einem zuverlässigen Betrugsmanagement.

Alles in allem erwarten Kunden nach der Pandemie, neben einem BOPIS-Service, einen einigen Transaktionsverlauf, sprich, ein nahtloses Kundenerlebnis – unabhängig davon, ob Einkäufe im Geschäft oder online getätigt wurden. Darüber hinaus erwarten sie relevante Produktempfehlungen, wenn sie sie wollen. Der Erfolg einer Marke hängt also von ihrem Verständnis für den Kunden mit all seinen Wünschen und Bedürfnissen ab sowie von ihrer Fähigkeit, Kundendaten in Echtzeit in relevante Interaktionssysteme zu übertragen. Mit CIAM lassen sich diese Ziele erreichen.

Schließen sich Kundenerlebnis und Sicherheit aus?

Zunächst einmal sollte Einzelhändlern klar sein, dass die digitale Interaktion mit ihren Kunden längst nicht mehr optional ist. Denn der stationäre Handel hat nicht erst seit Ausbruch der Pandemie zu kämpfen. Die Kunden haben längst erkannt, wie angenehm ein nahtloses Omnichannel-Erlebnis sein kann und welche Vorteile ihnen die neue Flexibilität bietet. Diese Entwicklung zwingt jeden Einzelhändler dazu, seine Customer Journey zu überdenken.

Anbieter, die ihren Kunden kein nahtloses Einkaufserlebnis bieten, laufen Gefahr, den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren und Marktanteile einzubüßen. Den Recherchen des Baymard Institutes zufolge sind die wichtigsten Gründe für den Abbruch eines Kaufvorgangs:

  1. Die zusätzlichen Kosten sind zu hoch
  2. Es gab online Probleme mit der Einrichtung des Kontos
  3. Die Kaufabwicklung dauerte zu lang oder war zu kompliziert

An dieser Stelle ist wichtig zu wissen, dass das Identitätsmanagement die letzten beiden Punkte direkt beeinflussen kann. Was Einzelhändler darüber hinaus beschäftigen dürfte, ist die Tatsache, dass insbesondere das jüngere Klientel schlechte Erfahrungen bisweilen in den sozialen Medien teilt, was für die Wahrnehmung einer Marke und die Loyalität der Kunden drastische Auswirkungen haben kann – ganz zu schweigen von den Kosten für das Reputationsmanagement.

Mit CIAM zu mehr Sicherheit und Kundentreue

Ein sicheres, nahtloses Kundenerlebnis kann den Online-Handel vorantreiben. Allerdings sind sich viele Führungskräfte im Einzelhandel nicht der Möglichkeiten bewusst, die ihnen ein intelligentes Kundenidentitäts- und Zugriffsmanagement (CIAM) bietet. Denn auf diese Weise können Kundenerlebnisse geschaffen werden, die die Markentreue fördern, ihnen wiederkehrende Umsätze sichern und den Erfolg des Geschäftes vorantreiben – allerdings nur dann, wenn CIAM über alle Anwendungen und Geräte hinweg richtig verwaltet wird.

Anbieter, die ihren Kunden ein nahtloses Benutzererlebnis mit Single Sign-On (SSO), passwortloser Authentifizierung und personalisierten Interaktionen bieten, zahlen nicht nur auf die Kundenbindung ein, was direkt die Umsatzentwicklung beeinflusst, sondern sie entlasten noch dazu ihre IT-Teams. Ohne eine intelligente CIAM-Strategie könnte Kaufinteressenten die Beziehung zum potenziellen Anbieter gänzlich abbrechen. Erweist sich beispielsweise bereits die Registrierung als problematisch oder ist der Anmeldeprozess für Bestandskunden ineffizient, führt dies nicht nur zu Frustration, sondern vermittelt auch den Eindruck mangelnder Kundenzentrierung und schadet somit der Marke.

In der Tat zeigen sich Kunden nicht selten unzufrieden mit den Zugangs- und Authentifizierungsmethoden der Einzelhändler ihrer Wahl. So kommt es vor, dass sie verschiedene Anmeldedaten für dasselbe Portal benötigen. Dies kann allerdings nicht nur die Kundenerfahrung beeinträchtigen, sondern auch hohe Abbruchsraten erzeugen und zu riskantem Verhalten, wie der Wiederverwendung von Passwörtern, führen. Ein reibungsloser Registrierungs- und Anmeldevorgang ist daher wichtig, um weder Kunden Sicherheitsrisiken auszusetzen noch selbst Umsatzverluste zu erleiden.

Die Multi-Faktor-Authentifizierung dient dem Schutz der Kunden, kann jedoch unter Umständen die Benutzererfahrung beeinträchtigen. Für eine gute Balance empfiehlt sich eine Personalisierung der Sicherheitsfunktionen, d.h. eine Definition von Schwellenwerten mit spezifischen MFA-Anforderungen. Auf diese Weise könnten Anbieter bei risikoarmen Situationen und Transaktionen den Fokus auf die Benutzererfahrung legen und es den Kunden überlassen, die Modalität und Häufigkeit einer MFA-Anfrage einzustellen.

Viele Anbieter setzen hier auf Customer-IAM (CIAM)-Plattformen, die Identitäts- und Profildaten sicher und zuverlässig speichern. Mit Funktionen wie Single-Sign-On, Zugriffskontrolle, Multi-Faktor-Authentifizierung, fein abgestimmter Data-Governance und einheitlichen Kundenprofilen ermöglichen CIAM-Lösungen eine optimale Sicherheit und Skalierbarkeit und zahlen so auf die Kundenloyalität ein. Um den Spagat zwischen Kundenerfahrung und Sicherheit zu meistern, sollte die CIAM-Lösung mehrere sichere Zweitfaktoren unterstützen, den Kunden ermöglichen, zwischen einer und mehreren bevorzugten MFA-Methoden zu wählen und den Sicherheits- und Risikomanagement-Teams erlauben, MFA-Anforderungen zentral zu definieren. Intelligente Identity-Lösungen ermöglichen außerdem das Einbinden und Bereitstellen von Identitätsdiensten durch eine No-Code-Erfahrung, wodurch sich das Gestalten digitaler Customer Journeys über mehrere Anwendungen und Ökosysteme hinweg vereinfachen lässt. Mit einem solchen Orchestrierungstool sind Einzelhändler in der Lage, dynamische Customer Journeys für den gesamten Identitätslebenszyklus zu erstellen – von der Registrierung über die Verfizierung der Identität, Authentifizierung, Autorisierung, bis hin zu Risikobewertung, Betrugserkennung, privilegiertem Zugriff und Governance.

Das Customer Identity and Access Management (CIAM) bietet Einzelhändlern:

  • eine reibungslose, sichere Registrierung, um das Vertrauen der Neukunden zu gewinnen
  • eine konsistente Benutzererfahrung über alle Anwendungen und Geräte hinweg, um die Zahl der Kaufabbrüche zu reduzieren
  • die Möglichkeit, wiederkehrende Kunden einfach zu identifizieren, um personalisierte Ergebnisse zu schaffen, welche die Kundenbindung erhöhen, sodass Anbieter Produkte und Lösungen einführen können, die das organische Wachstum beeinflussen

Und: CIAM schafft Vertrauen, wenn Anbieter folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Einholen der Zustimmung der Kunden, damit sie kontrollieren können, wie und mit wem ihre persönlichen Daten geteilt werden
  • Mit leistungsstarken Sicherheitsfunktionen Vertrauen schenken – von der Authentifizierung bis hin zu den beim Einzelhändler gespeicherten Daten
  • Einhaltung von Datenschutzbestimmungen, wie der DSGVO

Neben der Verbesserung des Kundenerlebnisses, der Steigerung der Kundenbindung und des Umsatzes gibt es noch weitere Möglichkeiten, denn das intelligente Identity und Access Management (IAM) bietet auch den Führungskräften im Einzelhandel einen echten Mehrwert:

  • Weniger Helpdesk-Tickets: Anfragen zur Zurücksetzung von Passwörtern kosten Zeit. IAM kann der IT-Abteilung durch Automatisierung und Self-Services Zeit und Mühe sparen.
  • Geringere Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO): Wer in eine IAM-Lösung investiert, spart Zeit und Geld für künftige Integrationen, Wartung und Support.
  • Risikominimierung: Anbieter verringern mit der Aktivierung der Multi-Faktor-Authentifizierung für Kunden und Mitarbeiter sowie dem Einsatz bewährter Verfahren für die Datensicherheit das Risiko einer Datenschutzverletzung erheblich.

Fazit

Wer als Marke Transparenz und Sicherheit bietet, wird nachhaltigen Einfluss auf seine Kunden ausüben und könnte sie zu loyalen „Fans“ machen, die Folgegeschäft generieren und so für signifikante Umsatzsteigerungen sorgen. Und doch ist CIAM weitaus mehr als eine „Nice-to-have-Technologie“. Denn nicht nur der Handel, auch die Kunden fürchten sich vor Online-Betrug – selbst in Zeiten, in denen Verbraucher zwar große Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit hegen, jedoch für einfachere, stärker personalisierte Benutzererfahrungen dazu bereit sind, mehr Informationen mit den Händlern zu teilen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Online-Anbieter in der Verantwortung wissen, für die nötige Sicherheit zu sorgen. Die Lösung für all dies liegt in einem intelligenten, identitätsbasierten Ansatz.